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Königsdorfer Tunnel 1837 – 1955

Königsdorfer Tunnel 1837 – 1955

Die Bahnstrecke Köln-Aachen wurde von 1839 bis 1841 als Bestandteil des Bahnprojektes Köln-Aachen-Antwerpen, mit dem Ziel, eine Verbindung zwischen Rhein und Nordsee zu schaffen, von der Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft errichtet. Bevor die Strecke jedoch am 1. September 1841 offiziell eröffnet werden konnte, standen die damaligen Ingenieure vor der schwierigen Aufgabe, den Villenrücken zwischen Erft und Rhein überwinden zu müssen.

Karte der Gegend zwischen Köln und Düren aus der Zeit um 1840. Von Köln ausgehend ist die Bahnlinie zu erkennen mit dem eingezeichneten Tunnel bei Großkönigsdorf und der Ville, dem Vorgebirge. Kopie aus: Weingarten, Helmut: Die Eisenbahn zwischen Rhein und Erft. Köln, 1987, S. 10

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Fotograf/Urheber: unbekannt

Tunnelbau

Man entschloss sich für den Bau eines Tunnels zwischen Königsdorf und Horrem, da an dieser Stelle die kürzeste Distanz der Tunnelstrecke zur Querung des Bergrückens gegeben war. Mit einer Länge von dennoch 1.619,47 Metern zählte der Königsdorfer Tunnel in der damaligen Zeit zu den längsten Tunnels weltweit und galt als technische Meisterleistung. Der Tunnel erwies sich als das kostspieligste Bauwerk der gesamten Strecke. Nach dem 1837-39 erbauten Oberauer Tunnel der Leipzig-Dresdener Bahn war der Königsdorfer Tunnel erst der zweite in Deutschland erbaute Eisenbahntunnel.

Arbeitsbedingungen

Die geologischen Verhältnisse im Bereich des geplanten Durchstichs stellten sich als äußerst ungünstig dar. Loser, feiner tertiärer Sand in einer Mächtigkeit von 8 bis 12 Metern erschwerte die Durchführung des Bauvorhabens und bestimmte letztlich auch die vom technischen Oberingenieur Pickel erarbeitete Planung und den Entschluss den Königsdorfer Tunnelbau in „Kernbauweise“ durchzuführen. In Tag- und Nachtarbeit kämpften die bis zu 2.000 Arbeitskräfte auf der zum damaligen Zeitpunkt größten Baustelle des europäischen Kontinents in mühsamer Handarbeit und mit Schubkarren und Pferdefuhrwerken gegen die ständig nachrieselnden Sandmengen.

Schwierigkeiten hatte man jedoch nicht nur mit den Bodenverhältnissen. Es fehlte auch an qualifizierten Arbeitskräften. So versuchte die Rheinische Eisenbahn-Gesellschaft geeignete Arbeiter aus England, Belgien, Schlesien und Sachsen nach Königsdorf zu bekommen.

Vom Deckgebirge wurden fünf Schächte in die Erde getrieben, welche direkt mit Feldbrandsteinen vermauert wurden, um zu verhindern, dass das sandige und lose Material nachlief. Die Schächte dienten später als Luftschächte, die mit zylinderförmigen Turmbauwerken über den Villenrücken aufragten. Von den Schächten sowie von den beiden Portalen aus wurde die Tunnelröhre auf der vorberechneten Achse seitlich vorgebaut und musste fortlaufend mit täglich 36.000 Stück Ziegelsteinen vermauert werden. Die Feldbrandsteine für die Türme, Schacht- und Tunnelauskleidung wurden aus dem beim Tunnelvortrieb gewonnenen Lehm in Ziegelbrennereien unmittelbar an der Baustelle gebrannt. An eine der Ziegelbrennereien erinnert noch heute die Straße „Am Ziegelfeld“ in Frechen-Königsdorf zwischen dem ehemaligen Tunnel und dem Bahnhof Königsdorf südlich der Bahntrasse.

Der Königsdorfer Tunnel hatte analog zu englischen Vorbildern, einen elliptischen Querschnitt mit einer Höhe von 7,67 Metern und einer lichten Weite von 6,92 Metern mit 3,5 Metern über der Schienenoberkante. Die Ausmauerung bestand aus drei Ziegelschichten, die in konzentrischen Kreisen ohne Verbund untereinander gemauert waren.

Der Königsdorfer Tunnel mit den West- und Ostportalen. Bleistiftzeichnung von J.P. Weyer (1841), Kopie aus: Weingarten, Helmut: Die Eisenbahn zwischen Rhein und Erft. Köln, 1987, S. 11

Copyright-Hinweis: Weyer, J. P. / gemeinfrei
Fotograf/Urheber: Weyer, J. P.

Tunnelportale

Um die herausragende Bedeutung des Königsdorfer Tunnels für die deutsche Eisenbahngeschichte und die hohe Wertschätzung, die dieses technische Meisterwerk zu seiner Entstehungszeit genoss, angemessen zum Ausdruck zu bringen, wurden die beiden Tunnelportale des Königsdorfer Tunnels sehr aufwändig gestaltet. Sehr wahrscheinlich stammt der Entwurf der detaillierten Portalarchitektur von Johann Peter Weyer, welcher zwischen 1821 und 1844 das Amt des Kölner Stadtbaumeisters ausübte und zur damaligen Zeit zu den führenden klassizistischen Architekten Kölns zählte.

„Von den beiden Tunnelportalen war das östliche, nach Köln orientierte Portal besonders aufwendig ausgeführt worden. Das westliche Portal war ein in der Laibung dreifach zurückspringender, hoher, elliptischer Bogen, der von zwei turmartigen Pfeilern rechts und links flankiert wurde. Das östliche Portal war einbezogen in eine aufwendige Stützmauerarchitektur auf bogenförmigem Grundriss. Auch hier wurde der elliptische Tunnelbogen von zwei Flankierungstürmen begleitet. Die sich daran anschließenden Stützwände wurden auf beiden Seiten von je drei türmchenartigen Backsteinpfeilern mit kräftig vorkragenden Deckplatten gegliedert“.

Die Überlegung der Direktion im Juli 1841, die Ein- bzw. Ausgänge mit verschließbaren Toren zu versehen, um die Gefährdung des Zugbetriebs durch Wild oder Unbefugte zu verhindern, wurde letztendlich nicht umgesetzt. Allerdings wurden zum Schutz vor Kälte und Regen an den beiden Eingängen des Königsdorfer Tunnels zwei beheizbare Schilderhäuschen für die Wärter errichtet, denn aus architektonischen Gründen war man der Meinung, dass sich in die Portale keine Räume mehr einbauen ließen.

Betriebsprobleme

Auch nach der Fertigstellung des aufwändigen Bauwerkes nahmen die Kosten kein Ende. Die Unterhaltung und Überwachung des Königsdorfer Tunnels stellte sich als äußerst kostspielig heraus. Aufgrund von Gebirgsfeuchtigkeit, Witterungseinflüssen, Kriegsschäden und immer stärker werdender Verkehrsbelastung waren mehrfach umfangreiche Instandsetzungen notwendig. Nachdem es jedoch im Januar/Februar 1954 durch Frosteinwirkung zum Abplatzen größerer Mauerschalen kam, entschied sich die Bundesbahn zum Abbruch des Tunnels. Zu diesem Zeitpunkt konnte der Tunnel lediglich eingleisig befahren werden, die Durchfahrtsgeschwindigkeit war von 100 km/h auf 10 km/h herabgesetzt und ein Großteil der Güterzüge musste umgeleitet werden.

Kriegsschäden

Schon im Jahre 1941 versuchte die Royal-Air Force, den Tunnel zu bombardieren, jedoch blieb dieser Versuch, wie auch alle späteren, ohne Erfolg. Da sich der Stuhloberbau ebenfalls nicht bewährte, wurde er im Jahre 1940 durch Reichsoberbau K mit 30-Meter-Schienen ersetzt.

Zur Abführung des Wassers befinden sich im Tunnel alle 10 Meter Abflussrohre von 15 Zentimeter Durchmesser. Wenn auch durch den intensiven Betrieb mancherlei Schäden entstanden, die eine dauernde Überwachung des Tunnels erfordern, so erlitt dieser doch den schwersten Schlag im Jahre 1945, als am 28. Februar der Tunnel beim Rückzug der deutschen Truppen mit einer 500 kg schweren Bombe von deutschen Pionieren gesprengt wurde. Die Sprengung erfolgte 500 Meter östlich vom Tunnelportal.

Die Sprengladung wurde vom östlichen Portal aus elektrisch gezündet. Durch die Sprengung wurde das Gewölbe in einer Länge von mehr als 16 Metern zerstört. Auch die Widerlager waren bis auf die Schienenunterkanten unbrauchbar. Etwa 3000 Kubikmeter feiner Quarzsand drangen dabei in den Tunnel ein.

Die Instandsetzungsarbeiten wurden im August 1945 aufgenommen und dehnten sich mangels geeigneter Fach- und Arbeitskräfte bis zum 10. Mai 1946 aus. In der Zeit vom 1. März 1945 bis zum 15. Mai 1946 lag der Verkehr auf der Eisenbahnstrecke Köln – Sindorf still. Er konnte erst am genannten Tage auf beiden Gleisen wieder aufgenommen werden.

Abbruch

Im Juli 1954 wurde der Abbruch des Tunnels, eine der größten Abbruchaktionen Deutschlands und ebenfalls eine technische Meisterleistung, ausgeschrieben. Bereits Mitte September 1954 begann man Deutschlands ältesten Tunnel auf gesamter Länge „aufzuschlitzen“.

„So imponierend die Zahlen aus der Zeit des Tunnelbaus, so imponierend waren auch die aus der Zeit der Demontage. Insgesamt mussten 3,92 Millionen Kubikmeter Erde abgetragen und 30.000 Kubikmeter Tunnelmauerwerk abgebrochen werden. Erstmals auf einer Erdbaustelle in Europa wurde ein 2,5 Kilometer langes Bandstraßensystem zur Abbeförderung der Bodenmassen verwendet. Mit Großfördergeräten brachte man die Erde zu einem ein Meter breiten und 2,5 Kilometer langen Band. Deponiert wurden die Massen im ausgekohlten Tagebau der Grube Fischbach bei Horrem. Täglich wurden 10.00 Kubikmeter Erde abgetragen. Das bedeutete, dass täglich sieben Meter Tunnel verschwanden.“

1950 – Triebwagen fährt aus dem Königsdorfer Tunnel

Copyright-Hinweis: Stadtarchiv_Kerpen_BA_00921

Geländespuren

15 Monate später, im Dezember 1955, wurden die Abbrucharbeiten abgeschlossen. Heute erinnert lediglich ein tiefer Geländeeinschnitt, welcher zunächst kahl und mit den Jahren immer dichter bewachsen wurde, sowie ein fragmentarisch erhaltener Rest des östlichen Tunnelportals nördlich der Gleise an den 114 Jahre alten und in den Anfängen der Eisenbahngeschichte längsten Eisenbahntunnel. Das Reststück des östlichen Tunnelportals wurde am 25.01.1999 in die Denkmalliste der Stadt Frechen eingetragen. Das Portal ist nur schwer zugänglich und war mit den Jahren stark von Sträuchern überwuchert sowie dem allmählichen Verfall durch beständige Witterungseinflüsse ausgesetzt. Im Herbst 2011 wurde das Tunnelportal instandgesetzt.

Gedenktafel am ehemaligen Ostportal des Königsdorfer Tunnels

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Fotograf/Urheber: unbekannt Medientyp: Bild

Baudenkmal

Das Objekt „Reststück des Tunnelportals des ehemaligen Königsdorfer Tunnels“ ist ein eingetragenes Baudenkmal (LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, Nr. 12088 / Denkmalliste der Stadt Frechen, laufende Nr. A 149).